AStA der Medizinischen Hochschule Hannover

Big Data in Parliament

Eine quantitative Analyse des Sitzungsverhaltens unseres amtierenden Studierendenparlaments. Ein Aufruf an alle Stellvertreter*innen

von Jeremia Weber
(zuerst erschienen bei Antidoton)

Auf allen Kanälen wird zurzeit für die nächste StuPa-Wahl und um Kandidat*innen geworben.  Grund genug, sich noch einmal mit unserem amtierenden Studierendenparlament auseinanderzusetzen.

Alle, die sich fragen, was dieses StuPa eigentlich sei: das Studierendenparlament, kurz StuPa, ist nach der studentischen Vollversammlung das höchste Organ der studentischen Selbstverwaltung. Es kann zu allen Belangen der Studierendenschaft Beschlüsse fassen, regelt den Haushalt und wählt den AStA. Es ist in seiner Funktion mit dem Bundestag vergleichbar. Alle, die mehr wissen wollen, klicken bitte hier.

Die Wahlwerbung erinnert daran, dass die aktuelle Legislatur zu zwei Dritteln abgelaufen ist. Damit ist es Zeit für ein Analyse. Während die Einhaltung von Wahlversprechen nur schwer erfassbar ist und die deren Erfüllung in vielen Fällen durch die Pandemie behindert wurde, braucht es weitere Kriterien..

Mit der Annahme ihrer Wahl verpflichteten sich die Gewählten zur regelmäßigen Teilnahme an den Sitzungen. Die physische Anwesenheit – bzw. den digital abgehaltenen Sitzungen die zeitgerechte Einwahl – wird protokolliert und eignet sich sehr gut für eine quantitative Betrachtung.

Wer anwesend ist, kann mitdenken und -diskutieren. Dass das eine nicht immer mit dem anderen einhergeht, fällt unter eine der zahlreichen Einschränkungen dieser mit einem Augenzwinkern zu lesenden Betrachtung.

Here we go…

Das Parlament setzt sich aus 21 Hauptvertreter*innen und einer beliebigen Anzahl an Stellvertreter*innen zusammen. Unserer aktuellen Wahlordnung zufolge werden nämlich all‘ diejenigen, die sich aufstellen lassen und mehr als eine Stimme auf sich vereinigen können, zu Stellvertreter*innen und damit zu ordentlichen Mitgliedern des Studierendenparlaments. Eine Analyse der Zusammensetzung des amtierenden StuPas findet ihr hier.

Zu Beginn der laufenden Legislatur war das StuPa 41 Abgeordnete stark, von denen 33 (80,49%) an der konstituierenden Sitzung teilnahmen. Positiv viel auf, dass alle 21 Hauptvertreter*innen anwesend waren. Von den 20 Stellvertreter*innen waren es zwölf.


Schaubild 1: Anwesenheit bei der konstituierenden Sitzung in Prozent. – Alle Doktorand*innen und diejenigen, die bereits Biometrie hatten, wissen: absolute Zahlen zählen! Da aber die Zahl der Haupt- und Stellvertreten*innen differiert, musste ich in Prozent umrechnen, um eine Vergleichbarkeit herzustellen. Deshalb bitte nicht verwirren lassen, die Diagramme sind z.T. in Prozent gehalten. Im Text bemühe ich mich absoluten Zahlen zu verwenden und die unterschiedlichen Angaben zueinander ins Verhältnis zu setzen.

In den folgenden Sitzungen fiel die Anwesenheit insgesamt aber auch in der Gruppe der Hauptvertreter*innen deutlich geringer aus:

Schaubild 2: Anwesenheit bei den ersten sechs Sitzungen der Legislatur in Prozent (vgl. Anmerkung zu Schaubild 1)

Die ersten sechs Sitzungen der Legislatur wurde von 78% von den Hauptvertreter*innen besucht und es nahmen 43,5% der Stellvertreter*innen daran teil. Ich halte beides für gute Quoten. Allerdings geben diese Zahlen keinen Aufschluss darüber, ob immer dieselben Personen gefehlt haben, oder ob sich die Abwesenheit gleichmäßig auf die Abgeordneten verteilt.

Schaubild 3: Anzahl der Sitzungen, an denen Abgeordnete teilgenommen haben (in absoluten Zahlen). – Ablesebeispiel: 8 Hauptvertreter*innen haben jeweils an 5 Sitzungen teilgenommen.

Aus Schaubild 3 folgt, dass unter den Hauptvertreter*innen jeweils drei (14%) Abgeordnete an drei bzw. vier der bisher insgesamt sechs Sitzungen teilgenommen haben. Denen gegenüber stehen sieben (33%) bzw. acht (38%) Abgeordnete, die bei allen bzw. mit einer Ausnahme bei allen Sitzungen präsent waren. 

Schaubild 4: Bildschirmfoto einer Mail an die Abgeordneten. Der vorgeschlagene Modus, der sicher stellen soll, dass immer 21 Abgeordnete bei den Sitzungen anwesend sind, lässt auch eine andere Interpretation zu: Werd ich als Stellvertreter*in nicht von einer*einem Hauptvertreter*in gefragt, ob ich an ihrer*seiner statt teilnehme, brauche ich nicht zur Sitzung erscheinen. 

Von den 20 Stellvertreter*innen waren bis auf vier Ausnahmen niemand bei mehr als fünf Sitzungen. Insgesamt haben von den Hauptvertreter*innen mehr als 70% an allen bzw. mit einer Ausnahme allen Sitzungen teilgenommen. Bei den Stellvertreter*innen sind das nur 20%. Umgekehrt haben von den Stellvertreter*innen 45% weniger als drei Sitzungen besucht.

Rolle der Stellvertreter*innen – Stellvertreter*innen machten 55% der stimmberechtigten Sitzungsbeteiligung aus

Bedeutet das, die Stellvertreter*innen sind weniger zuverlässig als die Hauptvertreter*innen? – Meiner Einschätzung nach bedeutet es das nicht! Viele Stellvertreter*innen scheinen sich, wenn sie es bei der Wahl nicht unter die 21 Stimmenmeisten geschafft haben, als Verlierer*in der Wahl zu verstehen. In der Annahme, ohnehin nicht mit(be)stimmen zu dürfen, scheinen sie dann keinen gesteigerten Sinn darin zu sehen, an den Sitzungen teilzunehmen.

Dabei finden die Stimmen der Stellvertreter*innen im Parlament gleichermaßen Gehör wie die Hauptvertreter*innen. Die Geschäftsordnung (§4 Abs. 3) sieht vor, dass wenn ein Platz im StuPa unbesetzt bleibt – aus welchem Grund auch immer – die anwesenden Stellvertreter*innen in der Reihenfolge der Stimmen, die sie bei der Wahl erhalten haben, nachrücken. In der aktuellen Legislatur vertraten zehn Stellvertreter*innen insgesamt 21 Mal Hauptvertreter*innen[1]. Damit machten sie 55,6% der stimmberechtigten Sitzungsbeteiligung aus.

Wahrnehmung der Stellvertreter*innen und Kommunikation ihrer Rolle

Die bisherige interne Kommunikation des StuPa (-Präsidiums) kann den Eindruck als Stellvertreter*in nicht gebraucht zu werden  verstärken.

Schaubild 5: Bildschirmfoto aus der Whatsapp-Gruppe. Stimmberechtigt sind diejenigen, “die am weitesten oben stehen” und anwesend sind.

Mehrerlei ist fest zuhalten:

  • Es braucht eine geordnetes Verfahren zur Organisation von Stellvertretung. Die Whatsapp-Gruppe ist ein Versuch, ein solches zu etablieren.
  • Die gewählten Formulierungen für das in Schaubild Fehler: Verweis nicht gefunden vorgeschlagene Verfahren schließt Stellvertreter*innen nicht von der Sitzungsteilnahme aus. Es ermutigt sie aber auch nicht dazu.
  • Betrachtet man wie häufig Abgeordnete abgemeldet/nicht abgemeldet abwesend waren – siehe unten –, fällt auf, dass das vorgeschlagene Verfahren nicht (konsequent) umgesetzt wurde.

Ich fände es hilfreich, wenn die Stellvertreter*innen immer explizit mit eingeladen und zur Aktivität bspw. in den Arbeitsgemeinschaften des StuPas (ärztliches Fehlermanagement, Werbefreier Campus, Stress im Studium/Prävention, gendergerechte Medizin) angehalten werden. Langfristig wünsche ich mir eine Aufweichung der Unterscheidung in Haupt- und Stellvertreter*innen.

Abwesenheit von Abgeordneten

Schaubild 6: Ausscheiden, entschuldigte und unentschuldigte Abwesenheit von Abgeordneten getrennt nach Haupt- und Stellvertreter*innen in Prozent (vgl. auch Anmerkung zu Schaubild 1)

Die Abwesenheit der Abgeordneten ergibt sich indirekt aus Schaubild 3. Interessant ist wie das Verhältnis von entschuldigter und unentschuldigter Abwesenheit ist. In den allermeisten Fällen haben sich die Abgeordneten beim Präsidium abgemeldet und sind in weniger als einem Fünftel der Fälle der Sitzung nicht abgemeldet ferngeblieben.

Für diese Betrachtung habe ich stellvertretende Stupist*innen bei nicht-Anwesenheit grundsätzlich als entschuldigt gezählt, es sei denn, sie hätten den Platz einer*eines fehlende*n Hauptvertreter*in einnehmen müssen[2]. Und letzteres, kam sehr häufig vor (s.o.). Deshalb hier noch einmal der Aufruf an alle Stellvertreter*innen: versteht es nicht als Niederlage, nicht zum*zur Hauptvertreter*in gewählt worden zu sein und nutzt die Chance als Stellvertreter*in, eure Anliegen einzubringen. Mit Ausnahme der konstituierenden Sitzung sind in jeder Sitzung dieser Legislatur Stellvertreter*innen nachgerückt und haben mit abstimmen können!  (Vgl. auch Schaubild 6).

Für die sechste Sitzung liegt noch kein Protokoll vor, mit dem die Anwesenheit bzw. die Nichtanwesenheit geklärt und die Frage abgeglichen werden kann, ob StuPist*innen entschuldigt oder unentschuldigt gefehlt haben. Deshalb wurden nach dem Motto „in dubio pro reo“ alle nicht-Anwesenden als „entschuldigt“ gezählt.

Ausscheiden von Abgeordneten

In dieser Legislatur sind zwei Hauptvertreter*innen (9,1%) und zwei Stellvertreter (5,6%) ausgeschieden, wobei niemand sein Stimmrecht verlor, weil er*sie seinem*ihrem Mandat nicht nachgekommen ist und zu oft unentschuldigt gefehlt hat[3].

Zwei Mandate wurde aus studiengangs-organisatorischen Gründen zurückgegeben. Außerdem haben Carlos und Xaver mit ihrer Wahl zum AStA-Referenten für „Hopo außen“ bzw. „Hopo innen“ ihre Mandate als Parlamentarier ebenfalls zurückgegeben.

Bestbesuchte Sitzung

Für die 6. Sitzung liegen aufgrund des bisher fehlenden Protokolls keine Daten über die Anwesenheit von Gästen vor.

Die bisher am besten besuchte Sitzung war die 4. am 08. Oktober 2020 in der die Zwischenberichte aus dem AStA präsentiert wurden und die Neuwahl der Referate für „Hopo außen“, „Hopo innen“ „Kultur“ und „Presse Print“ anstanden, wobei letztgenanntes Referat erst in der 5. Sitzung neu gewählt wurde. Zählt man die anwesenden Gäste mit, war die 5. Sitzung am 26. November 2020 die am besten besuchte, bei der auch der studentische Haushalt für die kommende Legislatur diskutiert und beschlossen wurde.

Auffällig ist die Zahl der vielen Gäste – und gleichzeitig die verhältnismäßig geringe Beteiligung von Abgeordneten – bei der 3. Sitzung am 18. Juni 2020. In dieser Sitzung wurde die Löschung des Artikels „Die zwei Gesichter der Hilfsorganisation Islamic Relief“ vom CURAREdirekt Blog diskutiert[4].

Fazit

Keine der hier präsentierten Metriken lässt einen Rückschluss auf die Arbeit des StuPa zu. Hochschulpolitik gehört zu den vielen Dingen, die sich nicht korrekt abbilden lassen, sondern die man (er)leben muss und an denen sich möglichst Viele beteiligen müssen, damit sie gut werden. Und genau dazu möchte ich aufrufen und einladen. Insbesondere diejenigen, die bereits als „Stellvertreter*innen“ ordentliche Mitglieder des StuPas sind, aber selbstverständlich auch alle anderen!

Hochschulpolitik lohnt sich. Warum, könnt ihr in meinem Plädoyer „Warum es sich lohnt, noch mehr Zeit an der MHH zu verbringen“ lesen. Zum Wert von Metriken empfehle ich das kurze Essay „Facebooks schlimmstes Gift“ der Datenschutzgruppe der Roten Hilfe Heidelbergs


[1]Nicht gezählt sind die Vertretungsakte in den Fällen, in denen ein*e Hauptvertreter*in die Sitzung vorzeitig verlassen hat.

[2]Die GO gibt keine differenzierte Auskunft darüber, in wie weit Stellvertreter*innen sich abmelden müssen. Meiner Auslegung nach sollten sie sich als ordentliche Mitglieder ebenfalls abmelden (müssen) bzw. gebietet das die Höflichkeit.

[3]Vgl. §10 der Satzung der Studierendenschaft

[4]Stellungnahmen und Repliken zu den Stellungnahmen zu den Löschungen https://antidoton.de/replik-zur-asta-stellungnahme; https://www.mhh-asta.de/2020/11/stellungnahmen-bzgl-der-loeschung-eines-artikels-im-curare-direkt-blog/