Internationale Tage „für“ und „gegen“ gibt es viele. Die Liste in der Wikipedia weißt mehr Einträge auf, als das Jahr Tage hat, woraus sich zwangsläufig eine Doppelbelegung der Tage ergibt, was die Exklusivität deutlich herabsetzt.
Aber selbst wenn die Liste der Gedenktage sich auf die zur Verfügung stehenden Tage eines Kalenderjahres beschränken würde, wäre ein Gedenken an die einzelnen Ereignisse überhaupt noch praktikabel?
Gedenktage bieten einen guten Anlass, an wichtige Themen zu erinnern, die wir in unserem Alltag schnell aus den Augen verlieren. So zum Beispiel der kürzlich gewesene Red-Hand-Day, der an die Schicksale von über 250.000 Kindersoldat*innen erinnert und ein Engagement gegen den Einsatz von Kindern in bewaffneten Konflikten auffordert.
Am heutigen Internationale Tag gegen Polizeigewalt wird an die Opfer von Polizeigewalt gedacht. Er wurde 1997 auf Initiative des „Collective against Police Brutality“ aus Montreal und der „Black Flag“ Gruppe in der Schweiz proklamiert.
Für viele von uns, die wir sehr privilegiert sind, ist die Polizei „Freund & Helfer“. Eventuell können wir sogar auf positive Zusammenarbeit bspw. in der Notaufnahme, im rettungsdienstlichen Umfeld oder aus privaten Kontakten verweisen. Es gibt aber viele Menschen, für die die Polizei v.a. eines ist: Täter.
Damit meine ich nicht in erster Linie „steineschmeißende, autosanzündende Autonome“ oder „gewaltbereite Fußballfans“, sondern vor allem marginalisierte Menschen. Der Deutschlandfunk hat mit seinem Radio Feature Täter in Uniform eine erschreckende Dokumentation produziert, in der Opfer zu Wort kommen und strukturelle Probleme anstatt des Fehlverhaltens einzelner Polizist*innen kritisiert werden.
#NoNPOG
Während die in dem Radiofeature geforderte Einrichtung unabhängiger Beschwerdestellen zur Aufarbeitung von Polizeigewalt ausblieb, wurden die Rechte der Polizei weiter gestärkt. Durch das BKA-Gesetz, das bayrische Polizeiaufgabengesetz (PAG) aber auch das niedersächsische Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG).
Nachdem sich der AStA, die IPPNW Studi-Gruppe und über 120 weitere Gruppen und Einzelpersonen 2018 zu dem Bündnis #NoNPOG gegen das neue Nds. Polizei- und Ordnungsbehördengesetz zusammengeschlossen haben, soll der 15. März auch Anlass für eine Rückschau bieten.
Das umstrittene NPOG wurde im Dezember 2019 verabschiedet und wurde seit dem – mit der Einrichtung von Kontrollstellen – (vermutlich) auch an der MHH jüngst zur Anwendung gebracht. Während die Präsenz von bewaffneten Polizistinnen und Polizisten auf dem MHH Gelände zwar beunruhigend war, so sind es die Vorverlagerung der Polizeiarbeit in den Bereich der Spekulation, sprich die Aufhebung der Unschuldsvermutung und die Ausstattung mit geheimdienstlichen Mitteln, die uns bedroht und bereits vielen zum Verhängnis geworden ist.
Über die Führung von Listen „politisch motivierter Krimineller (PMK) – links“, die Einstufung als „Gefährder“ u.a. mehr berichtete der NDR in dem sehr hörenswerten Beitrag „Gefährder – der Mensch als Sicherheitsrisiko des Staates“.
Nach der Verabschiedung der Besonderen Gebührenordnung (BMIBGebV) könnte einen die Erfahrung von Polizeigewalt über das bisherige Maß hinaus auch finanziell teuer zu stehen kommen. Wie der Verfassungsblog berichtet, sollen polizeilicher Gewahrsam, Platzverweise u.a. polizeiliche Maßnahmen in Zukunft mit einer Gebühr geahndet werden.
Dieser Schritt, ist Ausdruck einer fortschreitenden Kriminalisierung!
Nutzen wir den heutigen Tag, um Opfern zu Gedenken und unsere Haltung zur Polizei zu reflektieren:
Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen; ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.
Martin Niemöller
/jw
* Gleichzeitig auch Hōnen-Matsuri (Japanisches Fruchtbarkeitsfest) und Tag der Revolution in Ungarn