Neun von zehn Witzen zünden nicht. Diese These wurde beim »Arzt-mit-Humor«-Seminar vom Referenten und Improvisationsschauspieler Marvin Meinhold aufgestellt. Warum sollten wir uns also trauen, im Klinikalltag ein/e Arzt/Ärztin mit Humor zu sein, wenn die Chancen doch so schlecht stehen?
Betrachtet man aber die entgegengesetzte Perspektive: Ein Witz wird zünden, der Rest meist einfach nicht beachtet, so fragt man sich: Was kann denn schief gehen? Im schlimmsten Falle fällt der Witz gar nicht auf.
An zwei Tagen lernten wir, mehr Humor zu wagen. Weil Humor eine ernste Sache ist, begannen wir das Seminar aus einer teutonischen Perspektive und schlugen erstmal in Duden nach, was Humor überhaupt ist. Das Ergebnis der Recherche: »[Humor ist die] Fähigkeit und Bereitschaft, auf bestimmte Dinge heiter und gelassen zu reagieren.«
»Wie ich es hasse, wenn außer mir nichts Süßes im Haus ist.«
Genau diese Bereitschaft war unser erstes Thema: Wie erkenne ich Angebote meiner Umgebung? Zu den Grundlagen des Humors gehört die Fähigkeit zur Empathie, d.h. sich in sein Gegenüber einfühlen zu können, um die individuelle Verfassung des Adressaten zu erkennen und den Humor darauf anzupassen. Dabei sollten »Angebote«, die das Gegenüber macht, aufgegriffen werden. Bei diesen Angeboten kann es sich jedoch auch um Störungen des Status Quo handeln. In dem Zusammenhang kann Humor zu einer kreativen Problemlösung verhelfen. Hierbei übten wir, nicht immer in ein »ja, aber..:« zu verfallen sondern die Gegebenheiten anzunehmen und mit ihnen zu arbeiten.
Die Wortwahl ist ebenso Adressaten abhängig, als letzten Satz vor der Narkose »Jetzt schläfern wir sie ein.« zu hören, sorgt eher selten für Heiterkeit. Für einen (Humor-)Makler gilt daher: Lage, Lage, Lage.
Damit war also er der erste Teil geklärt, wir kennen nun die Situation. Dies brachte uns zur nächsten Frage: Wie setzen wir Humor ein? Im klassischen Schema in Stresssituationen wird Humor nämlich nicht aufgeführt, hier begnügt man sich mit dem Fight/Flight-Schema; Entspannung schafft das auf Dauer nicht.
»Ich stolpere nicht, ich mache Reflextraining.«
An einer Universität darf der akademische Aspekt einer Veranstaltung nicht fehlen, deshalb begann die nächste Lerneinheit theoretisch. Prof. Rod A. Martin (UWO) klassifiziert in »The Psychology of Humor: An Integrative Approach« Humor nach Ziel und Eigenschaft. Wir können uns entscheiden positiv bzw. aufwertend oder negativ bzw. aggressiv und abwertend zu sein. Die Bezugsperson können dabei wir selbst oder auch andere darstellen. Daraus ergeben sich vier Stile:
Der selbstaufwertende Humor setzt ein positives Selbstbild voraus und schafft Nähe, da wir uns selbst aufwerten ohne andere in ihrer Position zu schmälern. Bei der Selbstabwertung erniedrigen wir uns hingegen, um dem Gegenüber ein Lachen und Sympathie abzulocken.
Der soziale Humor schafft durch seine tolerante und nicht feindselige Art eine angenehme, entspannte Atmosphäre, wohingegen der aggressive meist impulsiv in den Raum geschmettert wird und als Machtinstrument missbraucht werden kann.
»Ihr Joghurt sieht frischer als Sie aus.«
Unabhängig vom Stil muss auch noch die Technik gewählt werden: Zur Auswahl stehen hier z.B. die Übertreibung, das Spiegeln und der kontextuelle Zusammenprall. Beim Spiegeln bekommt das Gegenüber z.B. die sofortige Rückmeldung, dass wir das Problem aufgenommen haben, dies nimmt dem Frust, nicht beachtet zu werden, präventiv den Wind aus den Segeln. Gleichwohl ist darauf zu achten, dass das Gegenüber sich nicht verulkt vorkommt.
Im letzten Akt des Seminars kam noch der Status in Spiel. In jedem sozialen Raum bildet sich unweigerlich eine Hierarchie aus. Erst recht im Krankenhaus, wo sich cholerischer Oberarzt und sture Patientin die Klinke in die Hand geben. Während der Hochstatus den Ton angibt, fügt sich der Tiefstatus der Situation und mischt sich nicht ein. Diese Hierarchie ist jedoch kein steifes Gebilde, sondern kann sich schnell verändern. Die Kunst eines Rollenwechsels im richtigen Moment ist die erfolgreichste Strategie. Wie wir selbst gemerkt haben kommt es schnell zu Revierkämpfen, sollte jeder den höchsten Status beanspruchen. Die Kunst ist es hier, trotzdem durch positiv gezeigte Autorität voranzukommen und nicht zu versuchen das Gegenüber ad hominem abzuwerten.
Insgesamt war es ein sehr heiteres, bereicherndes Seminar in dem jeder Teilnehmer zur aktiven Mitarbeit angeregt wurde. Nur selten gab es rein theoretische Abschnitte. Die meiste Zeit über waren wir aktiv am Ausprobieren und Üben. Wir möchten dabei noch insbesondere dem Alumni-Verein der MHH für die erfolgte Förderung bedanken, ohne die dieses Training nicht möglich gewesen wäre. Das Seminar wird dieses Studienjahr wieder angeboten werden, falls ihr noch Fragen habt, meldet euch gerne unter .
/jt