Projektwoche nimmt langsam Fahrt auf
Gestern Abend fanden im Wohnzimmer die ersten Vorträge zu dem Thema Künstliche Intelligenz statt. Sie reihen sich in eine Serie von Veranstaltungen ein, an deren Anfang der Science Slam und die Vernissage standen. Johannes T. erklärte den geladenen Gästen und interessierten Zuhörer*innen, dass es sich aber auch dabei erst um den Anfang handle: die ganze Woche folgen Vorträge, Filmvorführungen und Diskussionen. Aber auch über die Woche hinaus sei einiges geplant. So bieten beispielsweise Herr Prof. Marschollek und Herr Prof. Grigull weiterführende Seminare zu den Themen Big Data und Neuronale Netze an.
Die Idee der Projektwoche, erklärt Johannes weiter, sei aus der Frage entstanden, welche aktuellen Themen in unserem Studium nicht vertreten seien. Dem Aufruf, das Thema KI am Campus stärker zu repräsentieren, folgten sieben Studierende, die in einem halben Jahr der Vorarbeit die Projektwoche geplant und organisiert haben.
Schwerpunkt des gestrigen Abends war das Wechselspiel zwischen dem, was bereits an der MHH praktiziert wird und dem, was im übrigen Deutschland gedacht, geforscht und angewendet wird.
Mustererkennung auf Bildern – nicht intelligent aber exzellent
Ralph Ewerth, vom TNT der LUH, gab eine Einführung in die Begrifflichkeiten KI und Maschinenlernen. – Allen, die diese verpasst haben, sei der Beitrag »Künstliche Intelligenz und Big Data« in der Sonderausgabe der Curare empfohlen. Im Weiteren konzentrierter er sich auf Mustererkennung auf Bildern. Anhand einfacher Fragen an das Publikum verdeutlichte er, wie schwer es uns fällt, Wahrnehmungen zu explizieren. Oder wer kann eine allgemeine – computerverständliche – Beschreibung eines Gesichtes liefern?
An dieser Stelle setzt das Maschinenlernen an. Ihr Charakteristikum ist, dass die Lösung nicht vorgegeben ist, sondern von dem PC »intelligent« erdacht wird.
An einer einfachen Studie verdeutlichte Dr. Ewerth, dass das Ergebnis nicht wirklich intelligent ist, aber zu »exzellenten Erkennern« führt.
So schnitten in genannter Studie zur Bildannotation nur drei von 23 Personen besser ab als die beste, trainierte KI. Neun Personen erzielten gleich gute Ergebnisse und elf Probanden schnitten schlechter ab.
Vor diesem Hintergrund sind, wie eine Zuhörerin anmerkte, Captures, auf denen Objekte erkannt werden müssen vielleicht gar nicht sinnvoll.
Man vs. Maschine
Matthieu-P. Schapronow vom Hasso Plattner Institut ließ in den Köpfen der Zuhörer*innen verschiedene futuristische Szenarien entstehen.
Seine Grundthese lautete: »Digitalisierung bedeutet mehr, als Papier zu eliminieren«.
Anhand von Ausschnitten aus SciFi-Filmen verdeutlichte er den enormen Fortschritt in den Bereichen der automatisierten Medizin. Diesem Gegenüber verteidigte er den Menschen aber als »multifunktionale Maschine«, die, anders als eine auf eine Aufgabe trainierte KI, noch viele weitere Aufgaben lösen könnte. Seiner Meinung nach sei die entscheidende Frage nicht, ob KI böse ist, sondern wer wen zu welchem Zweck nutzt. Der Mensch die Maschine, oder die Maschine den Menschen?
In diesem Zusammenhang kritisierte Dr. Schapronow die deutsche Praxis erst alles offen legen zu müssen, bevor etwas erlaubt würde. Es müsse vorbehaltlos(er) auf die bereits bestehenden Möglichkeiten zurückgegriffen werden.
In einer »Gesundheitscloud« könnten alle Daten von ärztlichen Einrichtungen, Wearables etc. zusammenfließen und beispielsweise getaggt werden. So könnten wie anhand eines Allergietagebuchs Zusammenhänge zwischen Beschwerden und anderen Faktoren hergestellt werden. Diejenigen, denen das zu utopisch sei, lud der Potsdammer zu einem Blick nach Cuppertino ein. Apple, aber auch Alphabeta, ein google-Unternehmen, arbeiten mit Hochdruck daran, in Zukunft auch als Medizinproduktehersteller und »Healthprovider« Geld zu verdienen.
Ob freiwillig oder nicht, Prof. Schapronow nach sollten alle Gesunden sich öffnen und Daten zur Verfügung stellen, um KIs anzulernen/zu trainieren.
Das Ziel sei dabei immer, einen Mehrwert für die einzelne Person zu schaffen.
Unser Verständnis von Datenschutz scheint dem Referenten dabei anachronistisch und hinderlich. So erklärte er, unser Datenschutz sei auf den schlechten Umgang mit persönlichen Daten zur Zeit des zweiten Weltkriegs zurückzuführen.
Das Hasso Plattner Institut arbeitet, zusammen mit der MHH, den Universitätsklinika Göttingen und Heidelberg sowie vielen weiteren Akteuren in der »Medizinischen Informatik Initiative« »HiGHMed« an einer deutschen »Gesundheitscloud«.
Wer die Daten hat, hat die Macht – Systembedeutung der Hochschulmedizin
In seinem Vortrag über die Digitale Hochschulmedizin lenkte Prof. Baum, Präsident unserer Hochschule, den Blick zurück an die MHH.
Sowohl innerhalb als auch außerhalb der MHH bestehe das Problem in den vielen »Insellösungen«, was v.a. dem ökonomischen »Effizienz«-Paradigma geschuldet sei.
Prof. Baum sieht aber auch eine große Chance für die Hochschulmedizin als intersektoraler Organisator, der im staatlichen Auftrag die Hoheit über die aggregierten Gesundheitsdaten haben könnte.
Damit könnte die Systembedeutung weiter wachsen, denn »wer die meisten Daten hat, wird am meisten zu sagen haben«.
Als Teil des vom BMBF geförderten HiGHMed-Consortiums erfülle die MHH bereits jetzt wichtige Voraussetzungen wie ein umfassendes Ausbildungskonzept (StrucMed) und klinische Use Cases mit exzellenten Forscher*innen.
Als Mediziner gab Prof. Baum auch einen Ausblick auf die zukünftige Rolle von Ärztinnen und Ärzte in einem digitalisierten Gesundheitswesen. Aufgabe der Ärzteschaft wird es in Zukunft sein, die Daten in ihrer Validität zu prüfen und an die Patient*innen zu kommunizieren.
Entscheidend sei dabei die psychosoziale Akzeptanz, die Nützlichkeit, die Integration in den Alltag und eine gewisse Selbstverständlichkeit.
IT ist für Prof. Baum eine Methode zum Erkenntnisgewinn, die sich unserer praktischen Ethik untergeordnet werden muss und nicht umgekehrt.
Deshalb darf für ihn auch nur der Staat in einer dafür geeigneten Rechtsform, bzw. staatliche Institutionen die Hoheit über die Gesundheitsdaten bekommen.
/jw